ISOTYPE: Entstehung, Entwicklung und Erbe

Otto Neurath (1882–1945) war schon als Ökonom, Wissenschaftsphilosoph und politischer Autor bekannt als er 1925 Direktor des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums wurde und die „Wiener Methode der Bildstatistik“ entwickelte. Historischer und politischer Kontext war das Rote Wien (1919–1933), ein Modell des kommunalen Sozialismus, in dem Bildung, Gesundheit und Wohnbau politische Schlüsselbereiche waren. Neuraths Bildstatistik war sowohl durch ihren erzieherischen Zweck (politische Bildung, Demokratisierung des Wissens etc.) als auch durch spezifische Design-Regeln gekennzeichnet: Ein Zeichen repräsentiert eine beste Menge an Dingen und eine größere Anzahl solcher Zeichen eine entsprechend größere Menge an Dingen. Die Wiener Methode und ihre Piktogramme wurden im Teamwork entwickelt. Neben Neurath selbst waren dabei der Künstler Gerd Arntz (1900–1988) und Marie Reidemeister (1898–1986) als  “Transformatorin” die wichtigsten Personen.

Nach der Zerstörung der Demokratie 1933/34 und der Zerschlagung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung flohen Neurath und sein Team in die Niederlande und im Mai 1940 weiter nach England. Schon 1935 war die Wiener Methode in Isotype (International System of Typographic Picture Education) umbenannt worden. 1942 wurde in Oxford ein Isotype Institut gegründet.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs starb Otto Neurath am 22. Dezember 1945.

Nach 1945 gab es zumindest vier verschiedene Entwicklungslinien von Isotype. Marie Neurath setzte ihre bildpädagogische Arbeit mehr oder weniger strikt im Sinne ihres Mannes fort und stand bis 1971 an der Spitze des Isotype Instituts in England. Der Graphiker Gerd Arntz, der 1940 in Den Haag geblieben war, setzte seine bildstatistische Arbeit unter dem Dach einer niederländischen Stiftung fort. Rudolf Modley, früherer Mitarbeiter und späterer Rivale Neuraths, schlug einen eigenen, sehr erfolgreichen Weg als Informationsdesigner in den USA ein. Schließlich wurde auch das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum an seinem Entstehungsort Wien wiedereröffnet, wo es bis heute existiert.

Das Forschungsprojekt analysiert die Entstehung und die Entwicklung von Isotype und Isotype-ähnlichen Ansätzen in verschiedenen politischen Kontexten und nationalen Kulturen. Ziel ist es, die erste umfassende Geschichte von Isotype zu schreiben, in der die Vorläufer und die Geschichte im Wien der Zwischenkriegszeit genauso behandelt werden wie die Entwicklung im Exil (Den Haag, Oxford), die internationalen Zweigstellen des Wiener Instituts und die Hauptentwicklungslinien nach 1945 in England, den Niederlanden, den USA und Österreich. Darüber hinaus wird erstmals systematisch die theoretische und programmatische Dimension von Isotype untersucht und auf der Grundlage dieser historischen Analyse die Frage nach seiner gegenwärtigen Bedeutung gestellt.

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